Wenn Bäume ein Gesicht bekommen
Das Naturkundemuseum in Chemnitz zeigt Baumrindendrucke der Künstlerin Birgitta Volz
In der modernen, technisch geprägten Welt wird ein Baum meist nur als ein Gegenstand angesehen. Er funktioniert als eine forstwirtschaftliche Nutzpflanze oder als Element zur Landschaftsgestaltung - eben als ein Ding aus Holz und Blättern.
Birgitta Volz bedeuten Bäume viel mehr. Für die junge Künstlerin aus Hainichen sind es ganz beachtliche Lebewesen und zugleich natürliche Meisterwerke von beeindruckender Schönheit. Den natürlichen Charme der Bäume künstlerisch darzustellen, daran arbeitet Volz seit nunmehr 16 Jahren.
"Dabei sind sehr schöne und interessante Arbeiten entstanden", meint der stellvertretende Direktor des Chemnitzer Naturkundemuseums Martin Antonow.
Ihr aktuelles Projekt "Baumrindendrucke" hat er daher für den Chemnitzer Umweltpreis vorgeschlagen.
Zudem widmet man im Museum den Arbeiten vom 1. Mai bis 8. Juli 2001 eine Sonderausstellung mit dem Titel "Lineamenta arborum - Die Gesichtszüge der Bäume".
Sie werden dort als "ein Wald von Druckfahnen" zu sehen sein, zusammen mit Baum-Veteranen aus dem Versteinerten Wald.
Birgitta Volz hat die alte deutsche Tradition des Holzdrucks zu neuem Leben erweckt. Zunächst mit gegenständlichen Abbildungen, dann immer abstrakter.
"Je länger ich mit Holz arbeitete, um so mehr reizte es mich, einfach nur dessen schlichte Schönheit darzustellen", erzählt sie. Schnell lernte die junge Künstlerin, mit den natürlichen Strukturen zu spielen.
Sie druckte Kompositionen aus Holzplanken oder ließ markante Baumkörper zu Plastiken werden. Ihre Arbeiten kamen gut an.
Bereits mit 21 Jahren wurde sie als jüngstes Mitglied in den Berufsverband Bildender Künstler aufgenommen und ihre Werke gingen um die Welt.
Barcelona, Delhi, Istanbul, Krakau, Kyoto oder Sao Paolo waren einige Standorte, in denen ihre Drucke bisher ausgestellt wurden. Als 32 Jährige bekam sie Lehraufträge an den Universitäten in Delhi und in Porto, wo sie Kunststudenten in die Technik des Holzdrucks einführte.
Im Jahre 1994 gelang es ihr erstmals, die Rinde der Bäume als Druckkörper zu gewinnen. Das war nicht einfach, denn die Außenhaut der Bäume mit ihren vielen Unebenheiten schien sich zunächst gegen alle Druckversuche zu sträuben. Doch als es endlich klappte, eröffneten sich ihr völlig neue Möglichkeiten.
"Ich kann direkt am lebenden Baum arbeiten, ohne dass dieser gefällt und in Scheiben geschnitten werden muss. Dem Baum passiert nichts - außer, dass seine Rinde vor dem Druck frisch geputzt, etwas geglättet und mit Farbe bestrichen wird. Manchmal trägt er dann ein richtiges Hochzeitskleid aus Farbe, bis es die Witterung wieder abgelöst hat."
Seit ihrem ersten Erfolg mit dieser Methode gilt ihre ganze Aufmerksamkeit den lebendigen Gehölzen. Oft streift sie nun in Gärten und Wäldern umher und sucht nach markanten Holzgestalten.
Denn wie kein Baum dem anderen gleicht, hat jeder sein eigenes "Gesicht".
Bei der Vorbereitung des Druckes erkennt sie selbst nichts anderes als die normale, raue Oberfläche des Baumes. Und darum ist sie von den Druckergebnissen manchmal selbst überrascht:
"Oft sind ganz sonderbare Linienmuster entstanden, die aussehen wie Feen, Hexen oder Kobolde".
Ob die Fabelwesen reiner Zufall sind?
Das wüsste Birgitta Volz gern.
Achim Kälberer: Für die Chemnitzer "Freie Presse" vom 5. Februar 2001